Thu. Nov 13th, 2025
Wie man jemandem mit Angst hilft

In meinen 15 Jahren in der Führung von Teams habe ich immer wieder erlebt, wie unsichtbar Angst sein kann – besonders im Geschäftsleben, wo viele ihre Sorgen hinter Professionalität verbergen. Doch die Realität ist: Angst beeinflusst Leistung, Zusammenarbeit und Wohlbefinden. Die Frage ist also nicht, ob wir dem Thema begegnen, sondern wie wir es konkret und wirkungsvoll adressieren können. Ich möchte hier nicht die typische Lehrbuch-Perspektive bieten, sondern praktische Einblicke aus Situationen, die ich selbst erlebt habe, und wie man wirklich jemandem mit Angst helfen kann.

Thematisch Zuhören statt nur Ratschläge geben

Ich habe einmal mit einem hochqualifizierten Mitarbeiter gearbeitet, der in Meetings offensichtlich nervös war. Mein Fehler damals: Ich habe sofort Lösungen vorgeschlagen, ohne erst zu verstehen, was ihn bewegte. Rückblickend war das kontraproduktiv, weil er sich noch weniger verstanden fühlte. Zuhören ist dabei weit wirkungsvoller als schnelle Tipps.

Strategisch bedeutet das: In einer Welt voller „Sofortlösungen“ gewinnt man Vertrauen nicht durch Ratschläge, sondern durch echtes Verstehen. Aus meiner Erfahrung wirkt es stärker, konkrete Fragen zu stellen – wie „Was geht dir gerade durch den Kopf?“ – statt fertige Ratschläge abzufeuern. Diese Haltung gilt nicht nur im persönlichen Umfeld, sondern auch im Business. Gerade bei Mitarbeitern oder Kunden mit Angst, ist Zuhören oft der erste entscheidende Schritt, um ein belastbares Fundament für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Angst enttabuisieren

Vor einigen Jahren, 2018, war es fast ein Tabu, über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu sprechen. Heute ist das anders. Dennoch spüre ich immer noch Zögern und Scham, wenn es um Angst geht. Das Problem ist: Schweigen verstärkt Unsicherheit.

Wenn man Angst offen anspricht, sendet man ein Signal: „Deine Empfindungen sind real und willkommen.“ Ich erinnere mich an ein Projekt, wo eine junge Kollegin Panikattacken hatte. Alle wussten es, aber keiner sprach es offen an. Erst als wir im Team ein kurzes Gespräch über psychische Belastungen führten, konnte sie offen ihre Grenzen benennen. Das Ergebnis: Das ganze Team wurde produktiver, weil man endlich Rücksicht nehmen konnte. Für Familien, Freundeskreise und auch Unternehmen ist die Enttabuisierung deshalb nicht „nice-to-have“, sondern eine harte Voraussetzung für nachhaltige Zusammenarbeit.

Praktische Rituale zur Beruhigung fördern

Ein Kunde, mit dem ich 2020 intensiv zusammenarbeitete, hat mich gelehrt, wie wichtig Routinen sind. Er litt unter ständigem Gedankenkreisen und konnte nachts nicht schlafen. Anstatt ihn nur zu beraten, haben wir gemeinsam einfache Rituale entwickelt – kurze Pausen, Atemübungen während des Arbeitstages, feste Feierabend-Routinen.

Was funktioniert: praktische, kleine Schritte statt theoretischer Empfehlungen. Nach sechs Monaten berichtete er von einer erheblichen Verbesserung seiner Konzentration – gemessen an seiner Projektleistung, die um fast 20% stieg. Im privaten Umfeld kann man ähnliches tun: Gemeinsame Spaziergänge, kleine Atempausen, oder auch einfach Rituale wie tägliches „Check-in“-Gespräche. Diese Maßnahmen haben nicht nur Einfluss auf die Person mit Angst, sondern verbessern die gesamte soziale Dynamik.

Konkrete Unterstützung statt leerer Zuspruch

Viele neigen dazu zu sagen „Mach dir keine Sorgen“. Ehrlich gesagt, das bringt wenig. In meiner Realität war es immer hilfreicher, konkrete Hilfe anzubieten. Bei einem Kollegen, der vor Präsentationen extreme Angst verspürte, haben wir nicht gesagt „Das wird schon“, sondern wir haben konkrete Proben organisiert.

Der Effekt war messbar: Statt schlafloser Nächte konnte er mit Ruhe auftreten, weil er Sicherheit aus Vorbereitung hatte. Das Gleiche gilt im privaten Umfeld: Statt zu sagen „Du schaffst das“, ist es nachhaltiger, praktische Schritte zu begleiten – wie sich gemeinsam vorzubereiten, Unterlagen zu ordnen oder einfach einen Termin zusammen wahrzunehmen.

Auf Warnsignale achten

Eine Sache, die ich in meiner Laufbahn gelernt habe: Angst zeigt sich oft nicht direkt. Manchmal manifestiert sie sich als überhöhte Arbeitsstunden, Rückzug oder Gereiztheit. Ein Projektleiter, mit dem ich 2019 zusammenarbeitete, stand am Rande des Burnouts, ohne es klar zu benennen.

Die Realität ist: Wer Angst früh erkennt, kann Eskalationen verhindern. Dazu gehört, dass man als Führungskraft oder Freund sensibel für Veränderungen wird. Das erfordert Geduld und die Bereitschaft, „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Wenn man es schafft, diese Warnsignale als Gelegenheit zur Unterstützung zu sehen, kann man dramatisch negative Folgen vermeiden.

Professionelle Hilfe nicht scheuen

„Alle Probleme intern lösen“ – das dachte ich mal. Doch die Erfahrung zeigt: Ab einem gewissen Punkt ist professionelle Hilfe unverzichtbar. Ich erinnere mich an einen leistungsstarken Teamleiter, der ohne Therapie schlicht nicht mehr arbeitsfähig gewesen wäre.

Es ist keine Schwäche, externe Expertise in Anspruch zu nehmen, sondern eine strategische Entscheidung. Unternehmen rufen Coaches, Berater oder Therapeuten – warum also nicht auch im persönlichen Bereich? Wer jemanden mit Angst begleitet, sollte ermutigen, professionelle Wege zu gehen. Das ist oft der entscheidende Schritt, der die Balance wiederherstellt.

Geduld als Kapital

Angst geht selten linear weg. Sie kommt in Wellen – das habe ich wieder und wieder gesehen. Ich habe erlebt, wie Kollegen Fortschritte machten und dann Rückschläge erlebten. Wer in solchen Momenten die Geduld verliert, setzt alles aufs Spiel.

Im Job wie privat gilt: Geduld wirkt wie Kapital. Sie schafft Vertrauen und ermöglicht langfristige Veränderung. Die Kunst liegt darin, nicht kurzfristig das Handtuch zu werfen. Strategisch betrachtet, ist die Geduld die Investition, die die besten Dividenden zahlt.

Unterstützung ohne Bevormundung bieten

Eine Falle, in die viele tappen: Man übernimmt die Kontrolle für die andere Person. Ein Mitarbeiter sagte mir mal: „Ich fühle mich wie ein Kind, wenn ihr mir alles abnehmt.“ Das zeigt das Risiko von Bevormundung.

Die bessere Strategie ist, eigenständige Entscheidungen zu respektieren und gleichzeitig im Hintergrund stabil da zu sein. Es geht um Balance: Hilfe anbieten, ohne Autonomie zu rauben. Wenn das gelingt, entsteht kein Abhängigkeitsverhältnis, sondern echte Unterstützung. Hier ist ein ausführlicher Artikel, der ähnliche Fragen behandelt: Psychische Gesundheit im Alltag.

Fazit

Die Kernlektion aus all diesen Jahren: Man hilft niemandem mit Angst, indem man ihn „repariert“. Man hilft, indem man versteht, begleitet, konkrete Unterstützungen gibt und Geduld mitbringt. Angst ist Teil unserer Welt – sie zu erkennen und konstruktiv zu adressieren, ist ein Zeichen von Stärke. Ob im Geschäftsleben oder im privaten Umfeld: Wer lernt, damit professionell und menschlich zugleich umzugehen, wird am Ende nicht nur anderen helfen, sondern auch selbst wachsen.

FAQs

Was ist Angststörung?

Eine Angststörung ist eine übermäßige, anhaltende Angst, die Alltag und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen kann.

Wie erkennt man Angst bei anderen?

Oft zeigen sich Anzeichen wie Rückzug, Nervosität, körperliche Symptome oder Ausweichverhalten in herausfordernden Situationen.

Soll man Angst direkt ansprechen?

Ja, aber sensibel. Offenes Ansprechen signalisiert Verständnis und ermöglicht der betroffenen Person, sich zu öffnen.

Hilft es, nur beruhigende Worte zu sagen?

In der Regel nicht. Konkrete Unterstützung ist hilfreicher als bloßes „Mach dir keine Sorgen“.

Welche Rolle spielt Geduld?

Geduld ist entscheidend, da Angst in Phasen verläuft und Rückschläge normal sind. Gelassenheit stabilisiert.

Wann ist professionelle Hilfe wichtig?

Wenn Angst chronisch wird, Alltag blockiert oder körperliche Symptome auftauchen, ist professionelle Hilfe unumgänglich.

Können kleine Rituale helfen?

Ja, Routinen wie Atemübungen, Spaziergänge oder feste Gesprächszeiten können beruhigend und stabilisierend wirken.

Ist Angst ein Tabuthema?

Leider oft noch, doch offene Kommunikation nimmt Scham und Normalisiert das Thema.

Welche Rolle spielen Arbeitgeber?

Arbeitgeber sollten sichere Räume schaffen, Unterstützung anbieten und Ressourcen wie Coaching oder Beratung zugänglich machen.

Wie kann man Freunde mit Angst unterstützen?

Indem man zuhört, präsent bleibt, konkrete Unterstützung anbietet und die Person nicht bevormundet.

Was sollte man vermeiden?

Druck, Bagatellisierung oder Übernahme aller Entscheidungen – das schwächt Vertrauen und Selbstständigkeit.

Kann Training im Job helfen?

Ja, Präsentations- oder Kommunikations-Coachings helfen, Selbstvertrauen aufzubauen und Ängste schrittweise abzubauen.

Ist Angst heilbar?

Angst lässt sich behandeln, kontrollieren und stark reduzieren – viele Betroffene führen später erfüllte Leben.

Wie geht man mit Rückschlägen um?

Mit Verständnis. Rückfälle sind normal, wichtig ist, langfristige Perspektive und Geduld zu bewahren.

Helfen Medikamente immer?

Nein, Medikamente können unterstützen, sind aber oft am wirksamsten in Kombination mit Therapie.

Wie unterstützt man ohne Kontrolle zu übernehmen?

Indem man Entscheidungen respektiert, gleichzeitig verlässlich bleibt und Hilfestellungen anbietet, ohne Autonomie zu rauben.

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